Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat im Sommer ein Gutachten für das Parlament erstellt, das die Bewertung der aktuellen Rechtslage durch Rechtsanwalt Stefan Musiol bestätigt. Damit kann keine Rede davon sein, dass alle Produkte aus natürlichem Cannabis, die Cannabinoide wie CBD (außer THC) in natürlicher Konzentration enthalten, Novel-Food wären und ein entsprechendes Zulassungsverfahren nach der Novel-Food-Verordnung benötigen. Sie sind bei Einhaltung der sonstigen Vorschriften des Lebensmittelrechts ohne Weiteres verkehrsfähig.
Diese Auffassung vertreten allerdings einige Behörden rechtsirrig immer noch, darunter zuletzt das Landratsamt Karlsruhe (siehe unten) und zuletzt nach Mitteilung einer Mandantin eine Behörde in Sachsen-Anhalt. Wir hatten bereits über die zunächst verwirrenden Äußerungen von Regierungsstellen berichtet, die auch zu dieser Behördenverwirrung beigetragen hat.
Sicher kann dies aber nur für alle Produkte gelten, denen extrahierte Cannabinoide oder Mischsubstanzen mit angereicherten Anteilen beigemischt wurden, sowie die Extrakte selbst.
Im Übrigen betonen auch die Experten des Parlaments auch entsprechend der Beurteilung durch Rechtsanwalt Musiol, dass eine Einzelfallprüfung für jedes Produkt im Hinblick auf die verwendeten Rohstoffe und das Herstellungsverfahren für eine rechtssichere Produktentwicklung unabdingbar ist.
Die Experten beziehen sich auch auf eine Stellungnahme des österreichischen Verbraucherschutzministeriums, das die Bewertung im Wesentlichen entsprechend bestätigt:
Anti-CBD-Kampagne und „Zurückrudern“ des österreichischen Verbraucherschutzministeriums. Verbot der österreichischen Praxis zu CBD in Deutschland.
Das Ende 2018 noch rechtsradikal durch die FPÖ besetzte Ministerium hatte – wie schon vermutet und nunmehr offiziell bestätigt– die europaweite Anti-Cannabis/CBD-Kampagne durch eine Initiative bei der EU-Kommission zur Änderung des Novel-Food-Katalogs ins Laufen gebracht. Darüber hatten wir Sie bereits Ende 2018 informiert.
Österreich setzte sich bekannter Maßen auch mit der Einsetzung eines zusätzlichen Eintrags mit Stichwort „Cannabinoide“ durch, wo CBD als Inhaltsstoff als generell neuartig definiert wird. Auch wenn dort auf die gleichzeitig für generell als zulässig eingestuften Pflanzenstoffe aus Cannabis Sativa L. Bezug genommen wird, führten die unklaren Angaben in der Folge und bis heute bei Behörden nicht selten zu der irrigen Annahme, alle Produkte, die Cannabinoide enthalten, wären neuartig und genehmigungsbedürftig.
Vorausgehender Beitrag: Verwirrungen in Österreich 2019
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Es kann nur an nicht ansatzweiser Kompetenz in jeglicher Hinsicht gelegen haben, dass das Ministerium damit vor allem der bis dahin florierenden heimischen Cannabisproduktion geschadet hat. Die Beweggründe können nur einem absurden ideologischen Kulturkampf geschuldet sein.
Nach langen Monaten erschien dann im März eine Stellungnahme auf eine Anfrage des Wiener Parlaments, die von der im Dezember 2018 verbreiteten, platten Kampfansage gegen Cannabis deutlich abwich.
Im Wesentlichen stimmt die Regierungsposition in Österreich mit der Darstellung der Bundestagsexperten und RA Stefan Musiol überein. Sie enthält allerdings widersprüchliche Angaben zur Verwendung von Hanfblüten, die angeblich „meist zu hohe“ Anteile an Cannabinoiden aufwiesen. Nicht nur, dass die Angaben nicht ungenauer sein könnten, kann es natürlich nicht auf einen natürlichen Gehalt im verwendeten Rohmaterial ankommen, sondern immer auf den Gehalt im Endprodukt. Relevanz hätte diese Feststellung also nur für Produkte, die nur aus Cannabisblüten bestünden. Für Lebensmittelaromen sollen die Blüten dann aber frei verwendet werden. Die Angaben sind damit nicht nur pauschalisierend-falsch, sondern auch widersprüchlich.
Das Ministerium zählt (wohl um den eigenen Fehler zu „reparieren“) gezielt die Voraussetzungen auf, mit denen Hersteller und Anbieter Rechtslücken für Hanfaromen nutzen können. Dies führt zu der aktuel
len Absurdität in Österreich, dass die als Lebensmittel unzulässig erklärten CBD-Öle nunmehr 1:1 nach Umdeklaration dort als „Aromen“ verkauft und nach Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel verschickt werden.
Ein rechtssicherer Weg für extrahiertes CBD ist dieser „Trick“ allerdings nicht. So hat das Landgericht Hamburg mehrere dementsprechende Produkte aus Österreich als illegale Funktionsarzneimittel (die allerdings gerade erst auf den Markt gekommen waren) auf Antrag von RA Stefan Musiol im August verboten. Das Oberlandesgericht Hamburg bestätigte dies bei der Prüfung der Kostenbemessung stellte hierzu bei der Frage der Streitwertbemessung ergänzend eine „besondere Intensität von [Wettbewerbs]-Verstößen“ fest. Aromen sind extrahierte Geschmacksstoffe und dürfen daher per Definition keine wirksamen Inhaltsstoffe enthalten.
Es ist also durchaus effektiv möglich, sich gegen solche tatsächlich illegalen, falsch deklarierten Konkurrenzprodukte aus dem Ausland zur Wehr zu setzen.
Lösungsansatz Konsultationsverfahren zu verarbeitetem Cannabis
Ein Testlauf mit der staatlichen Behörde für Lebensmittelüberwachung in Bulgarien hat ergeben, dass eine Zertifizierung von Lebensmitteln als nicht-neuartig auch praktisch möglich ist. Der Antrag müsste aber sorgfältig vorbereitet werden. Insbesondere ist eine genaue Abgrenzung des Produkts von den als generell als neuartig festgestellten Erzeugnissen aus extrahiertem CBD dringend erforderlich, damit der Antrag nicht gleich mit einer Fehleinstufung scheitert.
Aufwand entsteht insbesondere auch durch die nötigen präzisen Fachübersetzungen zu allen Produktdaten.
Denkbar wären auch Versuche in anderen Staaten mit unvoreingenommener Verwaltungspraxis, wie den Niederlanden.
Nach den aktuellen Stellungnahmen des deutschen BVL ist es denkbar, auch eine Konsultation zu geeigneten Produkten sogar über diese Behörde durchzuführen, sofern diese der dort vertretenen Rechtsauffassung entsprechen. Auch hier hat nur ein Antrag unter Vorlage umfassender Nachweise Sinn.
Behördenverwirrung bei CBD hält an – eine Behördenanekdote
Dass die geradezu chaotischen Rechtsgrundlagen auch zu Verwirrung und Fehlentscheidungen bei Behörden führen müssen, ist eine geradezu logische Folge davon.
Ein Amtstierarzt des Landratsamts Karlsruhe (Veterinäramt und Lebensmittelüberwachung) hat anlässlich eines Messespaziergangs auf der lokalen OFFERTA Ende Oktober den Verkauf eines Hanföls aus Samen und Blüten zugelassener Sorten der Cannabis Sativa L. rechtswidrig als Novel-Food untersagt.
Es hat weniger als 5 Minuten gedauert, ein fast exakt entsprechendes Produkt eines lokalen Produzenten im selben Landkreis über Google zu finden https://oelmanufaktur-bender.de/produkt/cbd-oel/, das sowohl auf derselben Messe wie über Verkaufsstellen verfügbar war und ebenfalls nicht zu beanstanden ist. Offenbar wurde es auf unsere Nachfrage an die Behörde wegen eines entsprechenden behördlichen Vorgehens zwischenzeitlich auch aus dem Verkauf genommen.
Durch die Stadtbehörde in Karlsruhe wird sogar bis dato die Vermittlung und Werbung für eine genauso schnell auffindbares Produkt mit höheren Anteilen an CBD über dem natürlichen Wert geduldet: http://slimkonzept.de/cbd (Achtung: Datenübermittlung auf dieser Seite nicht sicher). Das Produkt wird mit einem evtl. schon arzneimittelrechtlich relevanten Anteil von 10% und der Behauptung „ganz legal“ beworben.
Was macht ein Amtstierarzt auf der Messe?
Trotz Aufklärung zur Rechtslage und Fortsetzung des Verkaufs wurden die Maßnahmen stur fortgesetzt, bis sie das zuständige Verwaltungsgericht Karlsruhe stoppte.
Die nachgelieferte „sachliche“ Begründung lautete vorher auszugsweise wie folgt:
„Uns wurden bis dato keine Unterlagen vorgelegt, die die Bewertung des Produktes“ …. „widerlegen.“ Unsere damit in einem Satz „abgehandelten“ Nachweise umfassten allerdings 10 Dokumente zum Nachweis der traditionellen Verwendung der Rohstoffe und der Verarbeitungsmethode und dazu fünfzehn A4 Seiten ausführliche Erläuterungen zur Rechtslage. Diese müsste natürlich zuerst einmal die Behörde widerlegen, bevor sie weitere Verbote ausspricht. Über die genannten Behauptung gibt es bis dato aber keine ansatzweise Befassung mit den vorgelegten Nachweisen, die für alle anderen Behörden, darunter die Fach-Prüfstellen zur Lebensmittelüberwachung in immerhin in den EU-Staaten Deutschland und Österreich sehr überzeugend waren.
Messebesuche scheinen mehr Spaß als Stallbesuche zu machen.
Dennoch wäre mancher Amtstierarzt angesichts der zuletzt wieder festgestellten Fälle von systematischer Tierquälerei, der Verbreitung bakterienverseuchter Fleischwaren mit 25 Verdachtsfällen auf letztendliche tödliche Infektion von Menschen besser bei (dann bitte ebenso unangekündigten) Kontrollen im Stall, dem Schlachthof und in der Fleischwarenindustrie aufgehoben. Von fachlich einwandfrei aus zulässigen Rohstoffen produzierten Cannabisprodukten geht auch mit natürlichen Cannabinoidanteilen jedenfalls im Gegensatz zu Listerien als „Zutat“ keinerlei Gefahr aus.
Stand: 01.10.2020
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