Verbrauchertäuschung über Inhaltsstoffe und Wirkung: Landgerichte verbieten Werbung für NEM-Produktserie „ROOT WELLNESS“ (Clean Slate, ZERO-IN)

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ROOT CLEAN SLATE und ROOT ZERO-IN von ROOT WELLNESS LLC

Zwei Landgerichte haben die Verwendung von 188 rechtswidrigen Werbeaussagen für die Nahrungsergänzungsmittel des US-Herstellers „ROOT WELLNESS LLC“ aus Tennessee verboten.

Bemerkenswert ist, dass sich eine der mit Verboten adressierten Werbetreibenden unter anderem als Diplom-Ernährungswissenschaftlerin und Autorin für das „ARD Buffet Magazin“ präsentiert.
In den USA läuft nach Mitteilung einer unabhängigen Expertenstelle ein entsprechendes Verfahren bei der Federal Trade Commission wegen irreführender Wirkungsbehauptungen.

von RA Stefan Musiol

Hauptprodukt der wohl 2021 hier eingeführten und ausgeweiteten Produktserie ist „CLEAN SLATE“ (übersetzt „sauberer Schiefer“), das für nicht weniger als 74 US$ im US-Shop des Herstellers ab EU-Lager angeboten wird und von Handelspartnern für rund 100 €. Man erhält bei Bestellung dafür das Fläschchen im Bild mit 30 ml Flüssigkeit, die gemäß Deklaration Vitamin C (Ascorbinsäure), Meersalz, Zusatzstoff Siliziumdioxid („Kieselsäure“) sowie Kaliumsorbat zur Konservierung enthält.

Produkte mit diesen Inhaltsstoffe sind in jeder Drogerie bekanntlich für deutlich weniger als 10 € bei größeren Mengen erhältlich. Silizium ist das am häufigsten auf der Erde vorkommende Element. Es ist in Sand enthalten und kommt oxidiert als Siliziumdioxid (SO2) in der Erde und damit auch in Pflanzen und im Trinkwasser vor.

Umfassende Darstellung im Ratgeberartikel

Weitere Details zum Fall und der Gerichtsentscheidung, sowie Ihren Rechten als Betroffene

zu anwalt.de

Zur Rechtfertigung des exorbitanten Preises bewirbt der Hersteller die Nahrungsergänzung als modernes Entgiftungsmittel und Allerheilmittel gegen schwere Krankheiten – allerdings ohne sachlichen Hintergrund.

Die ROOT WELLNESS LLC preist „Clean Slate“ in der eigenen Werbung, genauso wie ihre mit den Verboten adressierte Vertriebspartnerin, als „passives Entgiftungsmittel“ für sämtliche Körperorgane einschließlich Gehirn an. Denn es könne gefährliche Giftstoffe wie Schwermetalle und Chemierückstände aus der Nahrung im Körper binden und ausleiten.

Da diese Begründung des Herstellers keinen realen Hintergrund hat, hat das Gericht sie als Irreführung verboten.

Beitrag des Fachmagazins ``NETCOO`` zum Fall

Lesen Sie weitere Details zur Gerichtsentscheidung

zu NETCOO

Die „Story“ des Herstellers:

Angeblich würde das enthaltene SiO2 aus dem komplexen Mineral Klinoptilolith, einem Zeolith hergestellt. Das Siliziumdioxid würde daraus mittels „Fracking„, also entsprechend der Lösung von Gas aus Schiefergestein, erstellt. Bereits diese Angaben sind aber auch chemischer Unsinn, weil das komplexe Mineral in kleinste Einheiten nur mittels „Cracking“ (so der chemische Fachausdruck) oder einer anderen chemischen Reaktion aufgeteilt werden könnte. Dabei werden die Molekülketten zerteilt und so ein anderer Stoff erzeugt.

Der in vielen chemischen Verbindungen enthaltene Grundbaustein Silizium kann bei chemischer Umwandlung natürlich keine Eigenschaften des Zeoliths „erben“.

Dass die Stoffe grundverschieden sind, zeigen schon die chemischen Summenformeln:

Klinoptilolith: K6(Si30Al6)O72·20H2O / Na6(Si30Al6)O72·20H2O /  Ca3(Si30Al6)O72·20H2O

Siliziumdioxid: SiO2

Siliziumdioxid ist ein einfach strukturiertes Molekül aus oxidiertem Silizium. Zeolithe sind hochkomplexe Mineralien.

Keinerlei Zeolith und der angebliche Haupt-Inhaltsstoff SiO2 ist auch kaum enthalten

 

Außerdem wäre es wirtschaftlich offensichtlich unsinnig, die „Kieselsäure“ SiO2 aus dem teuren, komplexen Mineral zu gewinnen, anstatt einfach billigst verfügbare Silizium zu verwenden.

Denn das Ergebnis ist ganz logisch immer identisch. Und nur darauf kommt es auch bei den Wirkungen an.

Zudem ergab die dem Gericht vorgelegte Analyse der Produkt-Inhaltsstoffe, dass das Siliziumdioxid als Zusatzstoff zu Vitamin C und Meersalz mit 0,236 g / kg nur in marginaler Menge in Clean Slate enthalten ist. Einfacher Hafer kann beispielsweise den 25fachen Anteil aufweisen!

Die Analyse bestätigte ferner, dass keinerlei Zeolithe und insbesondere kein Klinoptilolith enthalten sind. Nur diesen Stoffen kann nach Untersuchungen eine gewisse enterosorbente Wirkung, also die Bindung toxischer Stoffe im Verdauungstrakt, zugeschrieben werden. Aber Giftstoffe im Körper binden können sie auch nicht, da sie wegen der Größe der Kristalle nicht einmal in die Blutbahn gelangen.

Das Landgericht untersagte daher auch jede Bezugnahme auf Zeolithe, Klinoptilolith und die Darstellung einer Entgiftungswirkung des Produkts. 

Neutrale Experteninformation

Warum können DETOX-Produkte - auch Medizinprodukte aus dem Katzenstreu-Grundmittel - auch schädlich sein?
Wichtige, objektive Informationen zu ``Entgiftung`` ``DETOX`` und ``FREETOX`` (Magazin Markt - NDR)

zu NDR.de

Man mit gekreuzten Fingern auf dem Rücken

Weitere Verbotsverfügungen des Landgerichts gegen Werbung für weitere Produktserie:

Die Produktserie des US-Herstellers ROOT WELLNESS umfasst unter anderem auch noch die Nahrungsergänzungsmittel „ZERO-IN“, „RESTORE“„IMMUN DEFENSE SHIELD“, „NATURAL BARRIER SUPPORT“, „RELIVE GREENS“ oder „GIVE ME BACK MY YOUTH“.

Auch für diese Produkte werben Hersteller und etliche Vertriebspartner mit unzulässigem Gesundheitsbezügen, wie einer positiven Beeinflussung von Körperfunktionen bis hin zur Heilung von Krankheiten.

Solche Behauptungen, in der Fachsprache „Claims“ genannt, sind nur bei einer ausdrücklichen Freigabe durch die EU-Kommission zulässig. Ansonsten verbietet sie die EU-Helth-Claims-Verordnung.

Da aber keine einzige der gesundheitsbezogenen Werbeaussagen der Vertriebspartnerin dort genehmigt waren, verbot sie das Landgericht folgerichtig und kündigte für den Fall einer Zuwiderhandlung Ordnungsgelder bis
250.000, – € oder ersatzweise Ordnungshaft an.

Landgericht Hamburg untersagt Vertriebspartnerin in Österreich 120 Werbeaussagen

Auch diese Vertriebspartnerin war im Multi-Level-Marketing-Vertriebs wie auch als Händlerin für die Produktserie unter der Bezeichnung ROOT Wellness (Restore, GMBY, Relive Greens,…) aktiv.

Mit der umfassenden Irreführung unter intensiver Suchmaschinenwerbung, die so beendet wurde, hatte die Gesellschaft aus einem in der Schweiz ansässigen Konzern gesundheitsbezogene Werbeaussagen für die Produkte verbreitet, die keinen medizinischen Hintergrund haben.

Zuvor hatte eine Ärztin aus Leipzig, die sich ebenfalls intensiv als Vertriebspartnerin mit rechtswidriger Werbung engagiert hatte, in einem Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Leipzig alle Unterlassungsforderungen endgültig anerkannt.

Auch anderen Vertriebspartnern drohen Abmahnungen und Verbote bei Bezugnahme auf Herstellerwerbung


Darstellung verbotener Werbung für ROOT RESTOIRE über YouTube

ROOT WELLNESS nutzt Vertriebspartner, die Produktverkäufe über Network-Marketing (Multi-Level-Marketing) vermitteln. Der bei Täuschung kreative Hersteller bezeichnet das klassische System, bei dem die Vertriebspartner auch weitere „Mitspieler/innen“ anwerben sollen, um an deren Umsätzen mitzuverdienen, fälschlich als „Affiliate Marketing“.

Wer mitmacht und mit dem Provisionslink in eigener Werbung auf die ebenfalls irreführenden Produktbeschreibungen  des Herstellers mit gesundheitsbezogener Werbung verweist, kann durch Verbraucherschutzvereine oder Mitbewerber auf Unterlassung in Anspruch genommen werden und muss anfallende Kosten erstatten. Eine Kenntnis der Umstände ist für diese wettbewerbsrechtliche Haftung irrelevant.

Außerdem drohen behördliche Bußgelder wegen rechtswidriger Werbung.

Gegen das Verbot des Landgerichts Traunstein (2 HK O 1211/23) kann die adressierte Vertriebspartnerin Widerspruch einlegen und so eine weitere Verhandlung und ein abschließendes Urteil des Gerichts im Eilverfahren beantragen.


US-Verbraucherschutzorganisation bestätigt rechtliche Bewertung


„DSSRC stellte fest, dass Root Wellness die Empfehlungen des DSSRC aus dem Jahr 2021 nicht einhielt, da Social-Media-Posts, in denen unbegründete gesundheitsbezogene Produktleistungsbehauptungen aufgestellt wurden, für die Öffentlichkeit zugänglich blieben.“ 

ROOT behauptete dort demnach, nur Kunden hätten die irreführenden Angaben verbreitet. Dies ist aber angesichts der eigenen Videoveröffentlichungen über YouTube ganz offensichtlich unwahr. Die Geschäftsführung will sich offensichtlich trotz ihrer Verantwortung bequem wegducken und die Vertriebspartner vorschieben.

Daher übergab der Wettbewerbsverband für Direktvertrieb das weitere Vorgehen nach eigenen Angaben im Oktober 2022 an die Federal Trade Commission:

„Aufgrund dieser mangelnden Einhaltung der Vorschriften verweist DSSRC diese Angelegenheit an die FTC und andere zuständige Regierungsbehörden.“

Die FTC – Federal Trade Commission – ist eine oberste Bundesbehörde, deren Vorsitzender vom Präsidenten der Vereinigten Staaten ernannt wird. Sie kann massive Sanktionen bei Verstößen gegen Wettbewerbsrecht und den Verbraucherschutz erlassen.

Worum es in dem Network-Vertrieb tatsächlich primär geht, kann man sich hier bei YouTube erklären lassen. Erkennbar soll das Vertriebsnetz möglichst schnell mit Einbeziehung der Kunden ausgedehnt werden.

Bild: Man mit gekreuzten Fingern: shutterstok.com – Kenneth Man.
RA Musiol Büroeingang: Christina Maechler https://www.facebook.com/ChristinaMaechlerBrandingPhotography/

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