– eine neue Art der Preistäuschung oder gar des Betrugs?
Der fixe „Katalogpreis“ hat längst ausgedient. Anbieter variieren Preise je nach Kunde. Aber auch „intelligente“ Preisangaben im Supermarkt nach Einführung des Einkaufswagens mit Kundenanmeldung werden möglich.
von RA Stefan Musiol
Man kann sich als Bestandskunde der Online-Apotheke „apo-discounter“ ganz schön ärgern, wenn man über einen Preisvergleich bei Google feststellt, dass man für ein Medikament den 1,5fachen Preis des günstigsten Angebots gezahlt hat. Noch mehr wird man sich aber ärgern, wenn man feststellt, dass der günstigere Preis von apo-discounter selbst dort angeboten wird.
Personalisierte Preise „nach Augenmaß“ des Anbieters gibt es seit jeher (stationärer Gebrauchtwagenhandel, Touristenbasar), auch im Onlinehandel kommen sie vor, wie Experten schon vor Jahren herausfanden (Link zu BR24).
Hier bestimmen Kriterien, die sich z.B. in der Wohnadresse des Kunden bestehen können, sein Preisangebot im Onlineshop. So könnte die Adresse in einer teuren Wohnlage oder die Identifikation eines teuren Endgeräts zu höheren Angebotspreisen führen. Solche bei traditionell ausgehandelten Preisen selbstverständlichen „Anpassungen“ der Anbieter werden nach vorliegenden Studien in Onlineshops (noch) selten systematisch praktiziert (Link zu Deutschlandfunk).
Davon müsste man das hier festgestellte, deutlich häufigere Vorgehen, das besser mit dem Begriff „Individualisierter Preis“ beschrieben werden kann, unterscheiden. Denn es geht offenbar nur um die Differenzierung Bestandskunde / Neukunde, also systematische Lockrabatte an vermeintliche Neukunden, die über Suchmaschinen angeworben werden.
Auch mit dynamischen Preisen (Tankstellen, Flugtickets) besteht kein Zusammenhang. Hier gelten immer einheitliche Preise pro Shop, die nur fortlaufend nach verschiedenen Kriterien „dynamisch“ angepasst werden. Auch zur Vorabkalkulation von Spitzenpreisen bei absehbarer Nachfrage (Messepreis im Hotel) besteht kein systematischer Zusammenhang.
Fehler? Andere Berechnung Versand?
Nein, dies ist kein Fehler und auch keine „alternative“ Berechnung, sondern hat klares System. Wir haben monatelang Angebote zunächst nach persönlicher Anmeldung im Shop abgerufen und dann über die Google-Shopping-Suche den „öffentlichen“ Werbepreis.
Es ergab sich – natürlich bei Abweichungen im Endpreis – immer das gleiche System deutlich höherer Preise für Bestandskunden, die der Anbiete über den Kundenzugang – jedenfalls vermeintlich – „im Sack hat“.
Probieren Sie es einfach aus! Per Klick auf ein Bild gelangen Sie auf die Google-Preissuche. Der heutige Werbepreis liegt bei 3,69 € für die Nasensalbe, im Shop bei 5,79 €.
Was geschieht mit „vermischten“ Preisen im Warenkorb ?
Vor allem rechtlich interessant wird es, wenn man das System in Konflikte treibt, indem man nach Anmeldung als Bestandskunde im Shop ein Angebot desselben Produktes über den Shop auswählt und anschließend nach Aufruf über die Google-Shopping-Suche mit niedrigerem Preis:
In diesem Fall ändert sich sich tatsächlich der Preis für das schon vorhandene Exemplare auf den niedrigeren Preis, so dass beide jetzt diesen einheitlich ausweisen.
Alles andere könnte ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung (PAngV) sein. Denn ein günstiger angezeigter Preis darf sich nicht nach Klick auf das Werbeangebot „erhöhen“. Dennoch bleibt die Praxis dahingehend kritisch, weil die Preise gerade nicht „individuell“ für jeden Kunden ausgehandelt werden, wie dies der Begriff „individualisierte Preise“ suggeriert. Es findet vielmehr ein Automatismus statt, bei dem auch schon registrierte Kunden durch einen günstigen Preis bei der Google-Suche angelockt werden können, aber am Ende den 1,5fachen Preis bezahlen, nur weil sie sich im Shop angemeldet und nicht auf den Link in Google geklickt haben.
Verstoß gegen Transparenzvorschriften – Betrug, Abzocke, Trickserei?
Das immer häufiger zu beobachtende „Phänomen“ der individualisierten Preise ist wohl nichts davon. Denn es ist nicht verboten, auf Anfragen fallweise unterschiedliche Preise anzubieten.
2022 umgesetzte EU-Vorschrift regelt nur personalisierte Preise
Nach der Umsetzung entsprechender EU-Richtlinien verpflichtet Art. 246a § 1 Abs. 1 Ziffer 5 EGBGB bei Angeboten im Fernabsatz (also Onlineshops) dazu, personalisierte Preise, also solche die aufgrund einer „automatisierten Entscheidungsfindung“ ermittelt wurden, als solche zu kennzeichnen. Erfasst werden die in der Fachsprache als „segmentierte Preise“ bezeichneten Systeme zur Preisermittlung nach Kundengruppen, die nach bestimmten Eigenschaften „segmentiert“ werden.
Allerdings ist ein durchgehender Preisrabatt über Suchmaschinen gegenüber den Preisen bei einer Suche im Shop keine „Entscheidung“ im Einzelfall nach mehreren Kriterien, sondern entspricht eher einem Rabatt für vermeintliche Neukunden. Darauf deutet auch der (lustiger Weise) auch passend variierte Hinweis auf die „Preisersparnis“ im oben dargestellten Beispiel hin. Ein solches System offenzulegen ist nach der Vorschrift also streng genommen nicht verpflichtend.
Dies könnten Gerichte mit einer ausgeweiteten Auslegung der EU-Richtlinie aber anders beurteilen, wenn sie die Preisanpassung nach „Herkunft“ des Kunden aus Preissuchmaschinen als „Entscheidungsfindung einstufen“. Dem Wortlaut der Regelung würde dies jedoch nicht entsprechen. Letztendlich müsste wohl der europäische Gerichtshof die Anwendung auf individualisierte Preise vorgeben, wobei Überraschungen nach der Erfahrung gerade hier nicht ausgeschlossen werden können.
Auch logisch wäre die Anwendung jedoch nicht. Es ist nicht rechtswidrig, auch keine Täuschung, die eigene Preispolitik nicht offenzulegen (vgl. Tankstellen). Letztendlich beinhaltet das System einen einkalkulierten Neukundenrabatt, allerdings mit der Möglichkeit für Bestandskunden, ihn per Klick in Google genauso in Anspruch zu nehmen. Dann „verschlechtert“ sich der Preis auch für sie nicht. Darauf wird es letztendlich entscheidend ankommen.
Der Anbieter versucht offenbar nur, günstige Lockpreise auf Kosten der Bestandskunden mit massiven Preisaufschlägen zu finanzieren.
Natürlich dient das System offensichtlich auch dazu, mit günstigeren Angeboten als denen der Mitbewerber im Shopsystem gezielt anzulocken, in der Hoffnung, Besteller/innen würden weitere Produkte aus dem Shop – zum normalen Preis – mitbestellen. Wirtschaftlicher Hintergrund ist nichts als die altbekannte Mischkalkulation mit Lockangeboten wie in jedem Supermarkt oder Discounter. Schließlich gibt es einen Mindestbestellwert und bei zu geringem Gesamt-Bestellwert einen Aufschlag mit Versandkosten. Und wer macht sich schon die Mühe, jedes Produkt anstatt im Shop anzuwählen, jedes Mal die Google-Suche zu bemühen oder gar die Bestellungen auf verschiedene Onlineshops zu verteilen?
Klar ist nur: Es muss es bei einem einmal genannten Preis bleiben.
Nachträgliche, nicht angekündigte Aufschläge auf den Preis sind rechtswidrig. Der einmal angezeigte Preis muss alle Aufschläge beinhalten oder einen Hinweis auf solche.
Alles andere gehört systematisch in den Bereich der Neukundenrabatte und ist auch wettbewerbsrechtlich nicht problematisch, so befremdlich das Spiel mit den Werbepreisen auf den ersten Blick auch anmutet. Denn wären es Preise verschiedener Anbieter – oder auch nur aus verschiedenen Shops desselben Anbieters mit anderer Bezeichnung – niemand würde sich wundern (nur eben auch ein bisschen ärgern, wenn man zu teuer bestellt hat).
Kritisch wird es im Übrigen auch, wenn Lockpreise nach den automatisiert ausgespähten Preisen der Konkurrenz durch gezieltes Unterbieten „gestaltet“ werden. Aber auch das ist ein anderes Thema.
Angabe „Sparpreis“ beim Maximalpreis im Shop
Deutlich kritischer ist diese Angabe bei den obigen Angeboten zu sehen, wenn tatsächlich der Maximalpreis im Shop gezahlt wird. Zwar soll der Preis noch günstiger als die Preisempfehlung sein. Die Angabe verschleiert jedoch, dass man über die Suchmaschine tatsächlich relevant sparen könnte.
Dies dürfte als irreführende Angabe unlauter und damit verboten sein.
One Comment on “Personalisierte und individualisierte Preise: Wenn der Bestandskunde den 1,6fachen Preis aus der Werbung (Preissuche) zahlen soll”
Müssen solche Preise gekennzeichnet werden?