Mit Green Claims rechtssicher werben – was werden EmpCo (ECGT) und Green-Claims RL noch zulassen?

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Schaubild zur Bedeutung "nachhaltig" bei Eingriffen in Ökosysteme

Droht das Ende für umweltbezogene Produktwerbung ähnlich zu gesundheitsbezogenen Angaben bei Lebensmitteln?

Die bisherige, sehr oberflächliche Werbung mit einer Kompensation des Ausstoßes von Treibhausgasen geht ihrem Ende entgegen.

In vielen Fällen wurde durch Recherchen aufgedeckt, dass die zahlreichen Aufpreis-Angebote zur „Klimakompensation“, mit denen „klimaneutrales Fliegen“ oder Heizen mit Öl angeboten wurde, reine Fantasiekonstrukte waren. Bei genauerer Betrachtung scheitern die Zertifizierungen schon an naturwissenschaftlicher Logik und transportieren nur eine Hoffnung auf Verbesserungen anstelle realer Bindung von Treibhausgasen für eine nachweisbare Kompensation.

Außerdem wird die Einsparung des Ausstoßes sachlich falsch zur scheinbaren Kompensation verwendet, was aber nur im Rahmen eines geregelten Zertifikatehandels wie in der EU und nicht weltweit „auf privater Basis“ möglich ist.

von RA Stefan Musiol

EU-Kommission und EU-Parlament wollen die ausufernden Werbeaussagen mit angeblicher Klimaneutralität, CO2-Neutralität und Umweltfreundlichkeit drastisch eindämmen. Die ersten Regelungen werden bis März 2026 in Kraft treten. Sie bedeuten vor allem das Ende der aktuell verbreiteten Werbung mit CO2-Kompensation.

Werbung Gösser Bier: ``nachhaltig schmeckt uns das Leben``

Die neuen EU-Gesetzesvorgaben zielen darauf ab, irreführende umwelt- und klimabezogene Werbeaussagen mittels eines strengeren Regulierungsrahmens zu unterbinden. Sie sind Teil des EU Green Deals und beinhalten die ECGT-Richtlinie (EC-Green Transition / Empowering Consumer for the Green Transition) zur Vermeidung von Verbrauchertäuschung und die Green-Claims-Richtlinie, die ein kontrolliertes Prüfungsverfahren für alle Unternehmen vorsieht.
Angaben müssen nach objektiv-wissenschaftlichen Standards korrekt sein und dürfen nicht selektiv umweltfreundliche Aspekte herausstellen.
Allgemeine, nebulöse Angaben wie „grüne Energie“ oder „nachhaltig“ werden generell verboten.
Die Regelungen betreffen auch Online-Shops und werden absehbar für alle Unternehmen gelten. Mittelständische Unternehmen sollen Unterstützungsleistungen bei der Umsetzung bekommen.

Seminarveranstaltung nahe Kiel am 26. Februar

Was bei der neuen Regulierung werberechtlich in der Praxis zu beachten ist, wie der Vorwurf des Greenwashings vermieden werden kann und welche Strategien der Nachhaltigkeitskommunikation die Unternehmen nutzen können, lernen die Teilnehmenden in diesem Workshop.

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Schon heute gilt nach den gesetzlichen Vorgaben, dass konkrete Werbeaussagen den Tatsachen entsprechend müssen und das „ganze Bild“ vermitteln müssen. Es dürfen nicht nicht irreführend Teilaspekte eines Produkts oder Unternehmens herausgestellt werden, wenn sich aus dem (gezielt) weggelassenen ein ganz anderes Bild ergibt.

Werbung mit CO2-Kompensation meist sachlich falsch und zukünftig streng reguliert

Abgesehen von immateriellen, rein digitalen Produkten ist ein gewisser Ausstoß von Treibhausgasen zur Herstellung in praktisch allen Bereichen unvermeidbar. Daher verbergen sich hinter der Zusage „klimaneutral“, die selbst bei maximalem Ausstoß wie für Flugreisen verwendet wurde, eine vorgebliche Kompensation des gesamten Treibhausgasausstoßes durch Kompensationsprojekte. Diese Projekte geschäftstüchtiger Anbieter hatten meist vorgeblichen Waldschutz, Moorschutz oder Aufforstungen zum Inhalt. Trotz Zertifizierung über Vereine wie „TÜV“ blieben die Nachweise meist „in der Theorie hängen“.

Siegel ``klimaneutrales Unternehmen`` rot durchgekreuzt

Kompensationsclaims schon in den letzten Jahren reihenweise gerichtlich verboten

Meist fehlte es schon an nachprüfbaren Angaben zur einer mit dem Projekt dann zwingend notwendig gesteigerten CO2-Bindung. Solche Angaben sind aber gemäß § 5a UWG für alle relevanten Daten eines Produkts oder Dienstes verpflichtend.

Dazu kommt, dass die Behauptung der zusätzlichen Kohlenstoffbindung aus der Atmosphäre nach einer Erhebung der EU-Kommission in mehr als der Hälfte der Fälle als sachlich falsch herausstellte. Bäumen, die gerade erst gepflanzt wurden, wurde die vielleicht in 15-20 Jahren erreichbare CO2-Bindung über ein – hoffentlich damit neu geschaffenes – stabiles Waldökosystem unmittelbar zugeschrieben. Nicht selten wurde einfache eine längst bestehende CO2-Bindung durch Kauf „vereinnahmt“, mit der Ergänzung, man sorge so für den Erhalt der CO2-Bindung, die sonst ja evtl. weggefallen wäre.

Dass diese zwar sinnvollen Maßnahmen aber zu keinerlei zusätzlicher CO2-Bindung führen, ist offensichtlich. Dennoch sollten sie fossile Treibhausgasemissionen kompensieren.

Eingehend befasste sich das Landgericht Düsseldorf in einem schon Jahre zurückliegenden Verfahren, das mit dem Urteil vom 24.03.2023 unter Az. 38 O 92/22 endete, mit dem für 1 ct. pro Liter Aufpreis angeblich vollständig als kompensierbar beworbenen Heizöl des Unternehmens Total Energies. Die sehr sorgfältige Analyse des Gerichts führte aber zu dem Ergebnis, dass nur der Ausstoß über die die unmittelbare Verbrennung überhaupt in die Berechnung einbezogen wurde. Bekanntlich fällt aber für Förderung des Öls durch entweichendes oder abgefakeltes Methan aus dem Öl und für den Transport nochmals erheblich Treibhausgas an, das in die Atmosphäre entweicht.

Vermischung von CO2-Kompensation mit CO2-Zertifikatehandel

Häufig wird eine durch Investitionen bewirkte, aber ohnehin in den nächsten Jahren zwingende Einsparung von CO2 in fernen Ländern verwendet, um damit vorgeblich Ausstoß hierzulande „zu kompensieren“. Dies beinhaltet allerdings den schon logischen Fehler, dass damit zwar ein fortgesetzter Ausstoß mit den Produkten des Unternehmens woanders eingespart wird. Die ohnehin notwendige Einsparung kann aber nicht „auf Ewig“ der fortlaufenden Emission gegengerechnet werden.

Auch der Hamburger Senat wollte mit einem derartigen Projekt durch die Verteilung Brennholz einsparender Öfen in Nigeria, die anstelle offener Feuerstellen zum Kochen verwendet werden sollen, die Klimaschädigung der Stadt „kompensieren“. Dadurch sollte Abholzung der Wälder vor Ort reduziert und so die CO2-Bindung erhöht werden. Allerdings bleibt die Berechnung der damit vorgeblich gesteigerten CO2-Bindung auf der Präsentation unter atomosfair.de im Dunkeln. So sinnvoll das Entwicklungshilfeprojekt bei einer tatsächlichen Durchführung offensichtlich wäre, die Berechnung der CO2-Bindung ist komplex. Ob Waldökosysteme tatsächlich Co2 binden, lässt sich nur mit aufwendigen Messungen tatsächlich ermitteln. Der völlig sachfremd gleichzeitig massiv ausgeplünderte und zur pauschalen Kompensation aus Holzverbrennung in umfassenden Werbemaßnahmen von Unternehmen und Regierungen herangezogene deutsche Wald emittierte nachweislich mehr CO2-Äquivalente Treibhausgas als er CO2 binden konnte.

Davon abgesehen gibt es keinen weltweit standardisierten Emissionshandel. Die darüber – wie z.B. in der EU und vielen Staaten mit nationalen Programmen – beabsichtigte Reduktion von Emissionen wird über eine systematische Verknappung der an die Unternehmen ausgegebenen und handelbaren Emissionszertifikate erreicht. Bei den quasi „erfundenen“ Zertifikaten durch eine Reduktion der Holzverbrennung in Afrika ist das aber nicht ersichtlich. Wie lange wollte sich die Stadt Hamburg damit „schönrechnen“?
Die Reduktion von Emissionen ist keine Kompensation. Hier werden also Instrumente zum Klimaschutz irreführend vermischt. Anstelle der behaupteten „Kompensation“ dürfte nur mit der tatsächlichen, einmalig bewirkten Reduktion von  Treibhausgasausstoß geworben werden. Eine Einstellung der (einmaligen) Einsparung in die Klimabilanz der Stadt ist sachlich offensichtlich falsch. Bilanziert und geworben werden könnte mit der gesteigerten Bindungsleistung der Waldökosysteme, die aber nach den Veröffentlichungen weder festgestellt noch konkret beziffert werden konnte. Wer weiß, ob das Holz nicht doch eingeschlagen und einfach anderweitig verkauft wird?

Zutreffend bemerkte auch das Landgericht Karlsruhe in seiner Verbotsentscheidung gegen eine Drogeriemarktkette, dass Waldschutzprojekte zur Kompensation von Treibhausgasausstoß in aller Regel ungeeignet sind, genau für eine rein theoretische Darstellung des Produkts als „umweltneutral“ (16.7.2023 – 13 O 46/22 – „klimaneutral“ / „umweltneutral“).

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