Verbotsprozess gegen Badetörtchen abgewehrt

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Verband Sozialer Wettbewerb scheitert vor dem OLG München

Angriffsziel waren Bio-Badetörtchen unserer Mandantin, die sehr erfolgreich besonders hochwertige Luxuskosmetika herstellt und weltweit vertreibt

von RA Stefan Musiol

Es gibt viele Produkte im Grenzbereich zwischen Kosmetik, Arzneimittel und Lebensmittel. Badetörtchen gehören allerdings an sich nicht zu diesen rechtlich schwer greifbaren Produkten, auch wenn sie die Luxus-Badetörtchen unserer mittelständischen Mandantinnen optisch nicht von essbaren Leckereien aus der Konditorei zu unterscheiden sind.

Deswegen gefielen sie dem Abmahnverein „Verein sozialer Wettbewerb (VsW)“ in Berlin auch gar nicht, der ihren weiteren Vertrieb schon seit dem Jahr 2017 verhindern will. Damit ist er jetzt endgültig an unserer Klageabwehr nach einem Verfahren durch zwei Instanzen gescheitert. 

Längere Zeit waren mit Lebensmitteln verwechselbare Produkte nach nationalem deutschen Recht untersagt. Nach § 5 Absatz 2 Nr. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, durften solche Produkte nicht für andere hergestellt, behandelt oder in Verkehr gebracht werden. Ein Totalverbot, das an vergiftete Produkte erinnert. Ob die beim Anfassen seifig-harten und kaum zu beißenden Pralinen auch bei Kontakt und normaler Wahrnehmung über menschliche Sinne als essbar wahrgenommen werden können, steht schon infrage.

Die sehr straffe Regelung wurde auch mit einer europarechtskonformen Definition in § 3 Absatz 1 Nr. 5 des Gesetzes eingeschränkt. „Verwechselbar“ ist dort gemäß den Erwägungsgründen Ziffer 10 zur EU-Kosmetikverordnung (VO EG 1223 / 2009) wie folgt definiert:

„Produkte, die zwar keine Lebensmittel sind, bei denen jedoch aufgrund ihrer Form, ihres Geruchs, ihrer Farbe, ihres Aussehens, ihrer Aufmachung, ihrer Kennzeichnung, ihres Volumens oder ihrer Größe vorhersehbar ist, dass sie von den Endverbrauchern, insbesondere von Kindern, mit Lebensmitteln verwechselt werden und deshalb zum Mund geführt, gelutscht oder geschluckt werden, wodurch insbesondere die Gefahr des Erstickens, der Vergiftung, der Perforation oder des Verschlusses des Verdauungskanals entstehen kann; ..“

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RA Musiol vor Büroeingang

Dennoch stufte das Landgericht München I die Produkte als gefährlich ein, weil der Inhaltsstoff Natriumbicarbonat, bekannt von Brausepulver für Kinder oder wasserlöslichen Vitaminpräparaten (Brausetabletten) im Mund schäumen könnte. Diese Begründung hinkte bereits an der Tatsache, dass Brausepulver ausschließlich aus der mit Wasser reagierenden Zutat besteht.

Auch im Übrigen enthalten die Badepralinen ausschließlich essbare Pflegestoffe aus zertifiziertem biologischem Anbau mit lebensmittelechten Farbstoffen, Zitronensäure und Gewürzdekoration. Dennoch sah das Gericht eine Gefahr bei dem Versuch, den harten Badezusatz zu verzehren, insbesondere durch „Verschlucken in die Luftröhre“.

Die gutachterliche Bewertung


Wir haben gegen diese Fehlentscheidung für Produzentin und Herstellerin Berufung zum Oberlandesgericht München eingelegt. 

Das Verbot wurde dadurch nicht rechtskräftig und die Produkte konnten EU-weit uneingeschränkt weiter angeboten werden.

Das Oberlandesgericht folgte im Verfahren unserer Begründung, dass das Landgericht kein Verbot aus „Bauchgefühl“ hätte treffen dürfen und veranlasste eine Begutachtung durch Experten.

Die Bewertung des bayerischen Landesamts für Lebensmittelsicherheit


Der Senat beauftragte das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) mit der Prüfung der Badetörtchen. Dazu führte das Amt Versuche an Produktproben durch, um herauszufinden, wie sich die Produkte bei Kontakt mit Speichel und hochreinem Wasser verhalten und ob sie ggf. in Teilen verschluckt werden können. Aber in keinem Fall ergab sich eine relevante Schaumentwicklung trotz Anwendung in körperwarmem Wasser.

Auch die Inhaltsstoffe wurden genau analysiert.

Entgegen der vorschnellen Bewertung des Landgerichts stufte die Behörde die Produkte nach eingehender Untersuchung daraufhin im Jahr 2019 als sowohl ungefährlich wie unbedenklich ein.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts München


Zunächst wollte der klagende Abmahnverein VsW jedoch nicht aufgeben. So bemängelte er nachträglich die Verwendung des Küchengewürzes Sternanis, bekannt auch als hübsche Deko in der Weihnachtsbäckerei. Es sollte nach Behauptung des Abmahnvereins hart sein und erneut vor allem bei Verschlucken durch wahrnehmungsgestörte Personen eine Gefahr darstellen. Abgebrochene Teile könnten zu einer Gefährdung führen.

„Garniert“ hat der Verein seinen alarmistischen Vortrag erneut mit Presseberichten zu Unfällen mit verschlucktem Spielzeug, allerdings ohne Bezug zu uneingeschränkt als sicher zugelassenen Küchengewürzen.

Dem widersprachen die amtlichen Gutachter in einer weiteren Stellungnahme erneut.

Daher korrigierte der Senat letztlich das Urteil des Landgerichts und wies den Verbotsantrag gegen die Badepralinen der verklagten Herstellerin zugunsten unserer Mandantinnen ab.

Die Verfahrensdaten: OLG München – 29 U 470 / 18 – Vorinstanz LG München I – 1 HK O 11164/17

Exkurs zu tatsächlich gefährlichen Alltagslebensmitteln


Tatsächlich sind nicht alle Lebensmittelzutaten und Küchengewürze harmlos. Nicht nur Produkt aus Mohn, der sich bei Verunreinigungen mit Schlafmohn  oder Überkonsum bekanntlich zu Rauschgift entwickeln kann, stehen unter regelmäßiger Kontrolle.
Auch der allgegenwärtige Zimt würde bei einem höherem Konsum, den aber schon der Magen vermutlich nicht „mitmachen“ würde. Tatsächliche Lebensgefahr ergibt sich für Kinder, wenn offene Verpackungen herunterfallen und Staub entwickeln, den Kinder einatmen können. Schlimmer als bei Pfeffer kann die toxische Wirkung zu einem Atemwegsverschluss führen.
Hersteller solcher Produkte sollten diese Risiken vor allem beim Verpackungsdesign daher immer im Blick haben. Leicht zu öffnende oder zerstörbare Verpackungen sind für Produkte mit Gefährdungspotential ungeeignet. Auch ein Warnhinweis ist sicher nicht falsch, selbst wenn er gesetzlich nicht vorgeschrieben ist.

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Bilder Badetörtchen: Dr. Juchheim GmbH
RA Musiol Büroeingang: Christina Maechler https://www.facebook.com/ChristinaMaechlerBrandingPhotography/
Foto Sternanis: Photograph of fruits of star anise (“Illiciem verum“), taken 17th Octeber 2006 by Brian Arthur and released under the GNU Free Documentation License. All remaining rights reserved. File:Illicium verum 2006-10-17.jpg – Wikimedia Commons

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